Meine „2 Cents“

Und hier sind meine ganz persönlichen Hinweise an alle, die vor haben in Nordamerika ein neuen Leben zu beginnen.

Mein Lebensweg war so, dass ich angesprochen wurde, einen Job hier in Kanada zu übernehmen. Die Firma half mir bei der „relocation“. Da denkt man natürlich nicht so lange nach, und die Entscheidung war einfach. Ich bin also nicht wirklich ein Auswanderer aus Überzeugung. Aber bereut habe ich es bisher trotzdem keine Sekunde.

Wenn man sich Internetseiten von Auswanderern anschaut, mit anderen Deutschen hier spricht und sie nach ihrer Motivation gefragt, macht man sich natürlich so seine eigenen Gedanken. Wichtig bei so einer Entscheidung ist, nicht nur die „für“ zu sehen, sondern auch die „wider“.

Dazu meine „2 Cents“:

Viele Sachen sind einfach weg
Damit meine ich nicht den verlorenen Koffer auf der Flugreise von Frankfurt nach Toronto, sondern die wirklich endgültigen Verluste. Das sind hauptsächlich die Familie und die Freunde. Es soll keiner denken, ich wandere aus und habe sofort den gleichen Freundeskreis und die gleiche gesellschaftliche Geborgenheit wie zuvor. Soo einfach ist das nicht….

Die Sprache ist das größte Problem
Es ist etwas anderes, in der Lage zu sein, beim Bäcker seine Wünsche zu äußern, als in der Runde in der Kneipe einen Witz zu reißen. Was ich damit sagen will, ist, dass viele soziale Kontakte auf Kommunikation und damit Sprache basieren, und anders sind, wenn man eine Sprache erst später gelernt hat. Wir sind nicht so schlagfertig und lustig wie mit unseren Kumpels in Deutschland, und man fühlt sich schon ab und zu als ein Außenseiter.

Nordamerika ist durch die englische Kultur geprägt
„Ich schalte das Fernsehen ein, und alles ist englisch“. Das klingt erst einmal banal, aber es steckt mehr dahinter. Den Blick, den Amerikaner und Kanadier auf die Welt haben, ist anders als der deutsche. Es ist mehr als nur die Sprache, die uns prägt.

Wir sind, was wir sind
Probleme werden nicht dadurch gelöst, dass man sie geografisch hinter sich lässt (naja, einige schon). Wir werden kein anderer Mensch nur dadurch, dass wir die Umgebung ändern. Und der Vorsatz, dass wir vieles anders machen werden als wie zuvor, wird selten funktionieren.

Ich will endlich das spießige Deutschland hinter mir lassen
Ein viel gehörtes Argument, aber Spießigkeit ist etwas sehr Relatives, und jeder definiert es anders, ganz speziell für sich und seine Umgebung. Die einzige Gemeinsamkeit ist wohl nur, dass es etwas ist, was wir nicht sein wollen. Auch in Nordamerika gibt es einige gesellschaftliche Konventionen und Regeln, und die sind teilweise viel schlimmer als in Deutschland. Aber für wen „nicht-Spießigkeit“ sich darauf begrenzt, endlich ein Auto mit einem Verbrauch von 20l/100 km zu fahren, ohne darauf angesprochen zu werden, bitte schön…

Jetzt habe ich schon so oft in Amerika Urlaub gemacht, und das ist ganz sicher das Land meiner Träume
Dazu die schlechte Nachricht: Urlaub ist etwas anderes als Alltag! Das erste Jahr ist bestimmt noch spannend, so eine Art Dauerurlaub, es gibt soo viel Neues zu entdecken. Aber irgendwann kommt der Alltag und die Erkenntnis, dass das Leben nicht nur aus Urlaub besteht.

Ich bin keine 20 mehr
Okay, ich war auch keine 20 Jahre alt als ich den Schritt gemacht habe, aber die Ansage ist: je jünger, desto besser. Nicht nur wegen der Chancen auf dem Arbeitsmarkt, sondern auch wegen der sozialen Kontakte. Und das funktioniert mit 20 eben einfach anders. In dem Alter hat noch keiner eine Familie mit entsprechenden Verpflichtungen, sondern ist eher bereit, jemanden aus einem anderen Land kennenzulernen und zu integrieren.

Kanada ist Multikulti, aaaber…
…die Kulturen vermischen sich nicht wirklich. Zumindest nicht in der ersten Generation. Irgendwann findet man sich in der gemeinsamen Nation und der Sprache Englisch (oder Französisch), aber es sind in der Regel nicht die Auswanderer, die diesen Schritt vollziehen, sondern die hier geborenen. Das heißt, man lebt in Kanada in einer multikulturellen Gesellschaft, aber viele verbringen ihr Leben größtenteils auf einer Insel zusammen mit ihren Landsleuten. Jeder kann seine Umgebung hier selbst wählen und sogar sein Leben lang hier verbringen, ohne ein Wort Englisch zu lernen. Gut für die einen, aber viele stoßen sich auch daran. Es gibt in den meisten kanadischen Städten eine deutsche Gemeinschaft, und man kann seinen Platz darin finden.

Multikulti ja klaar, aber jetzt wird es heikel, denn…
…das bedeutet etwas, und zwar die Philosophie in Kanada ist, dass jeder darf seine Religion ausleben, und der religiöse Einfluss auf Politik und Gesellschaft soll so klein wie möglich sein. Und so muss auch die eigene Einstellung sein, wenn man sich in Kanada wohlfühlen möchte. Sonst hört man nicht auf, sich den Kopf wund zu stoßen. Oder anders gesagt, man muss akzeptieren, dass die eigene Religion oder Lebensweise (was oder wie immer es auch sein mag) nur eine unter vielen ist.

Kanada liegt hoch im Norden und ist bitterkalt
Denken viele, stimmt aber nicht wirklich. Kanada ist riesig groß, und auch wenn es bis zum Nordpol reicht, liegt Südontario doch tatsächlich weiter im Süden als Deutschland. Der südlichste Punkt in Kanada liegt auf gleicher Höhe wie Rom oder Nordkalifornien, und in Toronto knallt die Sonne im Sommer so stark wie in Marseille.

Auswandern… versuchen wir es doch einmal…
Klar, ich verfolge auch die Seiten anderer selbsternannter Auswanderer. Meistens kommt die Motivation daher, dass nach Kanada auswandert wird, um irgend etwas hinter sich zu lassen, oder versucht wird, sich neu zu erfinden. Das funktioniert meistens nicht wirklich. Mit ziemlicher Regelmäßigkeit kommen für ein paar Jahre lang Blogs mit tollen Abenteuern, und dann irgendwann einmal die Nachricht, dass man sich dann doch anders entschieden hat, und zurückgewandert ist.

Zusammengefasst
Ich will niemandem seine Pläne ausreden, und mein Ratschlag ist einfach nur, bitte sehr gut darüber nachdenken, bevor man diesen großen Schritt in seinem Leben macht.